Ein Interview mit den Experten Dr. Andreas Bischof und Oliver Kämmerer der nova fund management GmbH.
Herr Dr. Bischof, wie schätzen Sie die langfristigen Wachstumsaussichten des Gesundheitssektors ein?
Die Wachstumsaussichten des Gesundheitssektors sind hochattraktiv. Sie können in zwei wesentliche Komponenten unterteilt werden: Zum einen wächst der weltweite Gesundheitssektor schneller als das globale Bruttoinlandsprodukt. Diese Einschätzung wird auch von der OECD geteilt, die basierend auf ihren Studien aus den Jahren 2013 und 2012 davon ausgeht, dass sich die Ausgaben für Gesundheit bis zum Jahr 2060 gegenüber dem Jahr 2010 mehr als vervierfachen, während das weltweite Bruttoinlandsprodukt „nur“ um den Faktor 2,7 ansteigt. Diese Studien legen außerdem nahe, dass schon im Jahr 2035 der Gesundheitsmarkt doppelt so groß sein wird wie im Jahr 2010. Und zum anderen ist der Gesundheitssektor ein defensiver Sektor, d.h. die Nachfrage nach Gesundheitsprodukten und -dienstleistungen ist weitestgehend unabhängig vom Verlauf der Konjunktur.
Herr Kämmerer, was sind die Haupttreiber dieser attraktiven Wachstumsaussichten für den Gesundheitsmarkt? Wie lassen sich diese herleiten?
Nach unserer Meinung sind hauptsächlich sechs Treiber für diese Wachstumsaussichten auschlaggebend. Hierzu gehören das Wachstum und die Alterung der Weltbevölkerung, medizinische Innovationen, der Aufbau der Gesundheitssysteme in Schwellenländern, eine Zunahme von Zivilisationskrankheiten und der weiterhin bestehende Mangel an ursächlich wirkenden Therapien.
Könnten Sie vielleicht zu einem der von Ihnen gerade genannten Punkte noch etwas konkreter werden?
Gerne, bleiben wir doch gleich bei der ersten Aussage: Wachstum und Alterung der Bevölkerung. Im Jahr 2050 werden ca. 9,6 Milliarden Menschen den Planeten bevölkern, das ist eine Vervierfachung im Vergleich zu den 2,3 Milliarden Menschen, die im Jahr 1940 auf der Erde lebten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren ca. 10 % der Weltbevölkerung über 60 Jahre alt. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird sich dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf 21 % erhöhen. Diese Verdopplung des Anteils der über 60-Jährigen veranschaulicht deutlich, wie stark die generelle Nachfrage nach medizinischer Versorgung wächst. Zusätzlich verstärkt wird dieses demographisch getriebene Nachfragewachstum durch eine Zunahme von Zivilisationskrankheiten, z.B. Diabetes und Bluthochdruck.
Herr Dr. Bischof, wie kann der Investor von den nachhaltigen Wachstumsaussichten des Sektors profitieren? Welche Investmentstrategien insbesondere mit Aktien bieten sich an?
Der Gesundheitssektor wird in 10 Subindustrien unterteilt, basierend auf einem weltweit anerkannten und etablierten Klassifikationsschema. Hierbei handelt es sich z.B. um forschende Arzneimittelunternehmen (Pharma, Biotechnologie), Labormittelzulieferer und Krankenhäuser, um nur eine Handvoll Beispiele zu nennen. Diese Heterogenität innerhalb des Sektors eröffnet die Möglichkeit, sowohl risikoaffine als auch risikoaverse Investmentstrategien zu konzipieren. Wir können sozusagen maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Investoren eingehen.
Wie sähen diese Strategien genauer aus? Wodurch unterscheiden sie sich?
Risikoaffine Strategien könnten z.B. ein höheres Gewicht auf Biotechnologie- und Pharmawerte legen, um Kursentwicklungen auszunutzen, die durch die Veröffentlichung von klinischen Daten ausgelöst werden. Risikoaverse Strategien vermeiden eher den Sektor Biotechnologie und konzentrieren sich womöglich mehr auf die Zulieferindustrien und Dienstleister, wie auch Krankenhäuser. Zudem gibt es eine breite Auswahl an Unternehmen mit unterschiedlicher Größe und davon abgeleitet Marktkapitalisierungen, d.h. es lassen sich konzeptionell auch Strategien entwickeln, die sich an diesen Kriterien orientieren.
Herr Kämmerer, das Börsenjahr 2015 hat gerade begonnen, wie schätzen sie das Kurspotenzial für Gesundheitsaktien in diesem Jahr ein?
Wir sehen grundsätzlich weiter Aufwärtspotenzial für Gesundheitsaktien im Jahr 2015. Die zeitliche Ballung von Patentabläufen umsatzstarker Medikamente liegt nun mehr als ein Jahr zurück und belastet damit die Ertragslage von Pharmaunternehmen nicht mehr. Zudem haben viele Medikamentenentwickler Fortschritte in der Forschungs- und Entwicklungsproduktivität gemacht, sodass für die Zukunft wieder von ansteigenden Umsätzen in der Branche auszugehen ist. Aber auch andere Gesundheitssektoren werden im Jahr 2015 von den von mit zuvor beschriebenen Treibern profitieren. Zu guter Letzt ist es auch wichtig zu erwähnen, dass der Sektor mit der Ausnahme der Biotechnologie defensiv ausgerichtet ist, sodass auch in fallendem Aktienmarkt mit einer relativen Outperformance zu rechnen ist.
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