Wenn die Baumolsche Krankheit diagnostiziert wird, ist die Prognose keinesfalls aussichtslos. Obwohl eine Ausrottung der Krankheit nicht in Sicht ist, lassen sich die Symptome mit gezielten Maßnahmen lindern. Diese ermöglichen dann ein weitestgehend schmerzfreies und erfülltes Leben.
Sie haben noch nie von der Baumolschen Krankheit gehört? Nun, der US Wirtschaftswissenschaftler William Baumol beschrieb 1966 erstmals zusammen mit William Bowen¹ das Phänomen, das in bestimmten Wirtschaftsbereichen (und hier insbesondere dem bei den Dienstleistungen) Produktivitätssteigerungen nur schwierig zu erzielen sind, da der Anteil menschlicher Arbeit kaum zu verringern ist.
Gleichzeitig steigen aber die Kosten - insbesondere Löhne & Gehälter -, die wiederum zu steigenden Preisen für die nachgefragten Dienstleistungen führen. Ein Effekt, der als Baumolsche Kostenkrankheit bezeichnet wird. Beispielsweise kann bei einem Konzert die vom Orchester gespielte Symphonie nicht in kürzerer Zeit dargeboten werden, die Anzahl von Lehrern nicht verringert werden, ohne dass die Qualität des Unterrichts leidet, oder ein chirurgischer Eingriff nicht beschleunigt werden, ohne dass das Risiko eines Kunstfehlers steigt.
Treffen Baumols Vorrausagen für den Gesundheitssektor zu? In der Tat steigen die Kosten des Gesundheitswesens (in der nachfolgenden Graphik gemessen am Bruttosozialproduktes Deutschlands) stetig an.
Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes vom 11.09.2018
Im Jahr 1992 betrug der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt noch 9,4% (bzw. EUR 159,4 Mrd.). Diese stiegen dann bis zum Jahr 2017 durchschnittlich um 3,5% p.a. an. Ihr Anteil am Bruttosozialprodukt stieg währenddessen einen Prozentpunkt auf 11,4% an (bzw. EUR 374,2 Mrd.).
Wirkt etwas dieser Entwicklung entgegen? Faktoren, die dieser Entwicklung teilweise entgegenwirken, sind z.B. der Einsatz neuer Technologien und die verstärkte Automatisierung von Arbeitsabläufen. So hat beispielsweise der verstärkte Einsatz der minimal-invasiven Chirurgie im Unterschied zum konventionellen chirurgischen Eingriff unter anderem den Vorteil, dass Eingriffe häufig ambulant anstatt stationär durchgeführt werden können. Dies führt nicht nur zu nachhaltigen Kosteneinsparungen, sondern auch zu einer schnelleren Genesung des Patienten und einer geringeren Sterblichkeitsrate. Umgekehrt können neue und schneller durchzuführende diagnostische Tests jedoch auch zu einer höheren Anzahl diagnostizierter Krankheiten führen. Diese werden dann eventuell mit mehr medizinischem Personal behandelt – mit den damit einhergehenden Kosten.
Fazit: Der vermehrte Einsatz neuer Technologien und Methoden – beispielsweise in der Medizintechnik – ermöglicht zwar einerseits Produktivitätsgewinne, andererseits beschleunigen neue Technologien und Methoden die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen aber auch. Die Baumolsche Kostenkrankheit hat sich im Gesundheitswesen also schon lange chronifiziert – sie ist ein struktureller Bestandteil geworden. Der Entwicklung der Aktienkurse im Gesundheitssektor, hat dies in den letzten 20 Jahren nicht geschadet, ebenso wenig wie der Gewinnentwicklung, wie die folgende Graphik illustriert. Vielmehr ist diese Krankheit einer der Treiber eben dieser stetigen und langanhaltenden Gewinnentwicklung.
Gewinnentwicklung der Indizes MSCI World, -Health Care, -Energy, -Financials, -Materials, indiziert auf 100. Quelle: Datastream, nova funds
¹ William J. Baumol und William G. Bowen: Performing Arts: The Economic Dilemma. Hrsg.: The Twentieth Century Fund. New York 1966.