Schuldig im Sinne der Anklage. Die US Apothekenkettenbetreiber CVS Health, Walgreens Boot Alliance and Walmart sind mitschuldig an der Opioid-Krise in den USA, befand eine Jury nach sechstägigen Beratungen. Durch Missbrauch von verschreibungspflichtigen Opioiden starben in den USA in letzten 20 Jahren zwischen 200.000 und 500.000 Menschen.
Somit wird US Richter Dan Polster in den nächsten Monaten die Höhe der fälligen Zahlungen an die 2 Kläger, Lake und Trumbull County, 2 Landkreise in Bundesstaat Ohio, bestimmen. Die Aktienkurse der drei Firmen reagierten kaum und schlossen sogar leicht im Plus.
Dieses Urteil, gegen das die 3 Firmen Berufung einlegen werden, ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs aus über 3.300 anhängigen Klagen gegen Hersteller, Großhändler und Apothekenketten. Parallel zu diesen Gerichtsverfahren laufen diverse Anstrengungen, außergerichtliche Einigungen zu erzielen. So haben die 3 US Großhändler McKesson, Cardinal Health, Amerisource Bergen sowie der Medikamentenhersteller Johnson&Johnson im Sommer eine USD 26 Mrd. schwere außergerichtliche Einigung vorgeschlagen, die von den beteiligten Parteien bisher weder definitiv akzeptiert noch abgelehnt wurde. Die Gemengelage ist schließlich außerordentlich komplex.
Öffentliches Ärgernis („public nuisance“) ist der Tatbestand, dessen die drei Firmen für schuldig befunden wurden. Dies ist nun wahrlich ein sehr vager Begriff, mittels dessen man beispielsweise auch gegen die Geruchsbelästigung durch eine nahe gelegene Fabrik klagen könnte. Einen konkreteren, klarer umrissenen Klagegrund konnten die Kläger wohl nicht finden vor dem Hintergrund, dass in den allermeisten Fällen die Schmerzmittel, deren Suchtpotenzial schließlich seit langem bekannt war, nur auf Vorlage einer ärztlichen Verschreibung abgegeben wurden. Auch die meisten Hersteller dieser Medikamente, die mittlerweile insolvente Purdue Pharma einmal ausgenommen, produzierten diese im Rahmen von Recht und Gesetz.
Insofern darf man fragen, warum die Kläger, meist US Bundesstaaten, Landkreise und Staatsanwaltschaften, die aktuell am Pranger stehenden Firmen so stark in die Verantwortung zu nehmen versuchen? Waren vielleicht nicht auch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden viel zu lange untätig? Wie steht es um die Schuld von kriminellen Akteuren und skrupellosen Ärzten, die die Verschreibungen ausstellten? Leider kann man bei Ärzten und Kriminellen keine Milliardensummen eintreiben. Bei großen börsennotierten Unternehmen hingegen schon. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.